Reden lernt man nur duch reden.
Marcus Tullio Cicero
Studien zeigen, dass Frauen bei einer Überzahl an Männern in Sitzungen, Workshops und anderen offiziellen und öffentlichen Kontexten nur ca. 25 Prozent der Redezeit beanspruchen, die sie in reinen Frauengruppen nutzen. Schauen wir genauer hin!
Ein Grund mag darin liegen, dass Frauen mit Redebeiträgen meist so lange warten, bis sie sicher sind, etwas inhaltlich Wesentliches beitragen zu können. Zudem fürchten sie sich übermässig davor, etwas Falsches oder Lächerliches zu sagen. Vielleicht trägt auch dazu bei, dass bei einer Überzahl von männlichen Chefs in den Führungsetagen Frauen unbewusst denken, dass ein anwesender Mann automatisch eine höhere Position innehat und sich deshalb zurücknehmen. Schliesslich gibt es, wie kürzlich im Spiegel erwähnt, in deutschen Vorständen mehr Menschen, die Thomas oder Michael heissen, als Frauen.
Eine so geringe Redezeit von Frauen, wenn sie in der Minderheit sind, ist bedenklich genug, aber in einem meiner letzten Workshops wurde dieses Phänomen noch einmal um Längen übertroffen:
Da sassen 20 Frauen und 5 Männer, alle mit Kaderfunktionen, alle freiwillig und äusserst interessiert dabei, und während vier Stunden haben die Frauen fast ausschliesslich geschwiegen. Meine Workshops sind immer sehr interaktiv und normalerweise von angeregten Diskussionen geprägt.
Dies war auch an dem Tag der Fall, nur kamen fast alle Redebeiträge und Fragen von den fünf Männern. Das war umso auffälliger, als noch im letzten Workshop in derselben Institution, an dem ausschliesslich Frauen teilnahmen, die Mehrzahl der Frauen sich aktiv beteiligte. Gegen Ende der gemischten Veranstaltung hingegen konnte ich nun nicht umhin, die Sache anzusprechen.
Ich fragte: Was ist hier eigentlich los, weshalb sagt ihr Frauen nichts?
Betretenes Schweigen, viele zu Boden schauend. Wieder sprachlos. Dann schon fast entschuldigende Reaktionen der Männer. War das Verhalten der Männer unangemessen? Obwohl es Veranstaltungen gibt, in denen Männer beinahe rücksichtslos den meisten Raum einnehmen und gelegentlich mehr provozieren als Inhaltliches beitragen, war dies hier nicht der Fall. Die Männer hatten sich sehr konstruktiv und engagiert eingebracht, genauso wie ich dies von den Frauen eigentlich auch erwartet hätte. Das Problem lag hier eindeutig auf Seiten der Frauen.
Frauen, sagt doch endlich mal etwas, egal was!
Nun könnte man die Frauen bedauern, aber hilft das irgendwie weiter? Wie wäre es mit etwas Herausforderung? Frauen, sagt doch endlich mal etwas, egal was! Ihr seid angestellt und auch dafür bezahlt, euch zu äussern. Man hat eure klugen Köpfe nicht engagiert, damit ihr schweigt in Sitzungen! Euer Wissen ist gefragt. Wenn eine Frau in einer Sitzung durchgehend schweigt, denkt leider niemand darüber nach, was ihr wohl gerade Interessantes durch den Kopf gehen mochte. Nein, in diesem Moment existiert sie schlicht nicht.
Ist es nur an den schweigenden Frauen allein, hier einen Schritt zu machen? Ganz so einfach ist es nicht, denn auch Chefs und auch Chefinnen sind in der Pflicht, ihre schweigenden Sitzungsteilnehmerinnen anzusprechen: „Was meinst du denn dazu?“ „Du bist doch Expertin auf dem Gebiet, wie siehst du das?“ Menschen, die etwas wissen, es aber nicht zu sagen trauen, sieht man dies nämlich sehr leicht an. Sie setzen immer wieder kurz zum Reden an, heben zögerlich etwas die Hand und lassen sie dann wieder sinken. An diesem Punkt kann der Vorgesetzte oder die Vorgesetzte einhaken. Und vielleicht braucht es auch einmal ein Gespräch unter vier Augen, in dem die Betroffene darauf hingewiesen wird, dass sie nicht für ihr Schweigen bezahlt wird. Ist dies nun zu bevormundendes Verhalten der vorgesetzten Person? Ich denke nicht. Es ist schlicht Führungsarbeit.
Und für stumme Frauen hier noch zwei Tipps:
- Wer sich in den ersten zwanzig Minuten nicht mündlich einbringt, neigt dazu, für den Rest der Veranstaltung zu schweigen. Deshalb lohnt es sich, sich zu überwinden und innerhalb dieser Zeit etwas zu sagen. Irgendetwas.
- Und für Fortgeschrittene: Wenn andere pausenlos reden, bitte nicht die Hand heben, Ihr seid hier nicht mehr in der Schule. Reinreden oder auf eine Atempause der Redenden warten und dann sofort einhaken.
So geht das! Mehr zum Thema gibt’s im Seminar „Fertig mit nett“ und in individuellen Coachings.