Die Krankenhäuser stehen unter Druck – das ist längst keine neue Erkenntnis. Was jedoch auffällt: Die Versuche, diesem Druck mit übergreifender Prozessoptimierung zu begegnen, häufen sich. Begriffe wie Integriertes Kapazitätsmanagement oder Performance Management markieren diese Entwicklung. Diese Themen haben ihre Wurzeln in einem Management-Paradigma, das seit über 30 Jahren die Unternehmenswelt prägt.

Prozessoptimierung

Mit der Hinwendung zu Business-Process-Management ist das Krankenhausmanagement endgültig in den 1990er-Jahren angekommen. Nach Jahren der Lean-Versuche, die an wichtige Entwicklungen der 1980er-Jahre anknüpfte, folgt nun die nächste Welle: Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Anfang der 90er wurde dies in der Wirtschaft zum Standard – gestützt von der Digitalisierung und getrieben von der Globalisierung. Unternehmen wie Apple oder Nike wurden zum Vorbild, indem sie ihre Kernkompetenzen fokussierten und alles andere entlang optimierter, oft ausgelagerter Prozesse organisierten.

Seitdem ist Prozessoptimierung keine Ausnahme mehr, sondern Normalzustand. Organisationen sind dadurch effizienter, aber auch nervöser geworden. Der Druck, sich stetig zu verbessern, ist integraler Bestandteil modernen Managements – mit allen Licht- und Schattenseiten.

Wieder einmal: Krankenhäuser ticken anders

Doch Krankenhäuser sind keine klassischen Unternehmen. Als professionelle Organisationen sind sie primär der Logik der medizinischen Praxis verpflichtet. Im Zentrum steht das fachlich fundierte Handeln – nicht die Effizienz des Gesamtsystems. Das führt immer wieder dazu, dass hochqualifizierte Fachkräfte ihre Arbeit am Limit leisten, dabei aber kaum reflektieren, wie ihre Tätigkeiten im übergeordneten Prozesszusammenhang eingebettet sind.

Um Prozesse in der Medizin zu optimieren, braucht es interdisziplinäres Denken.

Zudem sind Prozessoptimierungen im Krankenhaus besonders herausfordernd. Warum? Weil sie disziplinübergreifendes Denken erfordern. Genau darin liegt der kulturelle Bruch: Mediziner und Medizinerinnen lieben die Fachlogiken, die klare Spezialisierung, ihre Territorien. Versuche, diese Logiken durch Kapazitätsmanagement oder fachübergreifende Planung zu überformen, stossen regelmässig auf Widerstände. Der Status quo – geprägt von Fachdenken, Revierverhalten und historisch gewachsenen Strukturen – wird mal mehr, mal weniger subtil, aber oftmals wirksam verteidigt.

Prozessmanagement als Hoffnungsträger – mit Risiken

Doch die ökonomische Realität drückt weiter. Nach den zwei ernüchternden Geschäftsjahren 2023 und 2024 wächst der finanzielle Druck nochmals. Die Vorstellung, dass Krankenhäuser sich als betriebswirtschaftlich eigenständige Organisationen behaupten können, droht zunehmend zur Illusion zu verkommen. Und so scheint die Prozessorientierung aktuell letzter Hoffnungsträger zu sein: Vielleicht lässt sich doch noch etwas herausholen – im OP-Betrieb, auf den Stationen, in den Ambulanzen.

Tatsächlich existieren Potenziale. Doch der Zugriff auf sie ist nicht trivial. Und hier wiederholt sich die Geschichte: Schon in den 90ern zeigte sich, dass Prozessoptimierung oft auf Kosten von lokalem, implizitem Wissen geht – jenem Wissen, das in den Alltagspraktiken der Mitarbeitenden steckt. Die Antwort damals war Knowledge Management – als Ergänzung zum reinen Effizienzdenken.

Wissen sichern, bevor man optimiert

Das fordert Krankenhäuser heute verschärft. Denn das Wissen der professionellen Akteure ist nicht nur implizit, sondern zugleich das Rückgrat der Leistungserbringung. Wird es durch Standardisierungsdruck verdrängt oder überformt, droht ein Qualitätsverlust – und Widerstand.

In Spitälern ist das Wissen der Mitarbeitenden unverzichtbar.

Die Lösung liegt in der klugen Verbindung: Wer in Krankenhäusern Prozesse optimiert, sollte von Anfang an das professionelle Wissen nutzbar machen und sichern. Das erfordert eine andere Art des Change Managements – dialogisch, professionssensibel, wissensbasiert, und: herausfordernd.

Fazit

Prozessoptimierung im Krankenhausumfeld muss die Balance zwischen Effizienz und Expertise finden und die digitalen Möglichkeiten zu nutzen wissen. Der Rückgriff auf Managementkonzepte der 90er kann sinnvoll sein – sofern auch die Eigenlogik professioneller Organisationen verstanden und berücksichtigt wird.

Denn klar ist: Nur wer das Wissen seiner Mitarbeitenden und deren professionelle Orientierung achtet, schafft dauerhaft bessere Prozesse.

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