Wissen ist gut, doch Können ist besser
Emanuel Geibel
Menschen, die ihren Marktwert in der Arbeitswelt steigern oder zumindest erhalten wollen, bilden sich permanent weiter. Bereits erworbene Fähigkeiten, zum Beispiel das Beherrschen von Computerprogrammen, Apps und technischen Skills aller Art, haben eine immer kleinere Halbwertszeit.
Die rasante Entwicklung in IT und Technik lassen es nicht mehr zu, sich auf dem aktuellen Wissensstand auszuruhen. Fremdsprachen wollen erworben und gepflegt werden. Wer eine Sprache länger nicht nutzt, verliert zuerst deren aktiven Gebrauch und baut auch den passiven Wortschatz vorübergehend ab.
Neben dem Erhalten und Erweitern von bereits Erlerntem geht es aber auch darum, ständig neue Kompetenzen zu erwerben. Viele davon gehören zu den sogenannten „Softskills“ oder „Metaskills“, wobei Metaskills sich auf diejenigen unter den Softskills beziehen, in denen Menschen heutigen Einschätzungen gemäss künstlicher Intelligenz oder Robotern überlegen bleiben werden.
Diese sind beispielsweise Fühlen und Empathie oder Träumen als angewandte Vorstellungskraft. Harte und weiche Fähigkeiten werden also erlernt und weiter trainiert und in einer immer grösser werdenden Anzahl an Kursen vermittelt und mit einer grossen Vielfalt an Zertifikaten bescheinigt.
Auch Metaskills wollen trainiert und angewandt werden.
Das Weiterbildungsangebot an Trainings in Kommunikation, Umgang mit Konflikten, Selbstmanagement und Arbeitstechniken sowie der ganze Bereich von Leadership und Management sind beinahe unendlich. Viele der hier vermittelten Softskills sind direkt verbunden mit den Leitbildern, Kompetenz- und Wertekatalogen von Unternehmen, deren Einzigartigkeit und spezieller Zuschnitt auf die entsprechende Organisation gern betont werden. Inhaltlich sind die Werke allerdings kaum voneinander zu unterscheiden.
Wertschätzende Kommunikation, Vorbildfunktion, Loyalität oder Diversität finden sich in unterschiedlicher Ausprägung in beinahe jedem dieser Papiere. Daher ist es nicht erstaunlich, dass amerikanische CEOs, denen man eine Reihe von Leitbildern in neutraler Schrift und ohne Logo vorlegte, das ihrer eigenen Firma nicht erkennen konnten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Führungs- und Fachkräfte werden nun auf Basis dieser übergeordnet definierten Anforderungen in Weiterbildungen innerhalb und ausserhalb der Unternehmen geschickt.
Laut Weiterbildungsstatistik des Bundesamts für Statistik der Schweiz hat die Einbindung in den Arbeitsmarkt einen entscheidenden Einfluss auf die Teilnahme an einer Weiterbildung. Erwerbstätige besuchen doppelt so oft eine Weiterbildung wie Erwerbslose. Die Mitarbeitenden, die eine Weiterbildung in Zusammenhang mit ihrer Anstellung besuchen, sind hingegen unterschiedlich motiviert. Einige besuchen freiwillig einen Kurs, andere werden nach einem kritischen Mitarbeitergespräch zur Teilnahme verpflichtet. So findet dann in vielen Trainings eine bunte Mischung aus Teilnehmenden mit unterschiedlichsten Beweggründen zusammen, zum Beispiel die unter Trainerinnen und Trainern heimlich als „Weiterbildungstouristinnen“ – es sind meist Frauen – bezeichneten Dauerbegeisterten und Profis solcher Formate, die „Laufbahnorientierten“, die einmal mehr, einmal weniger begeistert Trainings besuchen, weil diese für ihre aktuelle oder nächste Karrierestufe unabdingbar sind, und die „Zwangsverknurrten“, die endlich lernen sollen, „anständig“ zu kommunizieren.
Gute Trainer und Trainerinnen verstehen es nun, die heterogene Gruppe zusammenzubringen und zu begeistern und sind zu Recht stolz, wenn ein paar der unfreiwillig Anwesenden am Ende des Kurses in der Feedbackrunde oder diskret unter vier Augen sagen, sie hätten zwar kommen müssen, aber zum Schluss sei es doch ganz nützlich und gar nicht so übel gewesen.
Weshalb ist dies alles nun für Frauen und speziell für ihre Karrieren relevant?
Im Bereich der nicht-formalen Bildung, zu der die erwähnten Kurse und Seminare gehören, sind zwar etwas mehr Männer als Frauen anzutreffen, was aber durch ihre stärkere Vertretung in höheren Funktionen und damit mit leichterem Zugang zu diesen Angeboten erklärt werden kann. Der Hauptunterschied zwischen Männern und Frauen liegt aber nicht in der Anzahl ihrer Vertreter und Vertreterinnen, sondern in ihrer Themenwahl. Die gefragtesten Kursthemen bei den Männern sind Informatik, Führung, industrielle Produktion, Dienstleistungen und Sicherheit, während die Frauen am häufigsten in den Kursen zu Gesundheit und Medizin, Sprachen und Persönlichkeitsbildung (siehe Wertekataloge!) anzutreffen sind.
Dies hat zum einen natürlich mit der bereits bestehenden Verteilung der Geschlechter auf die entsprechenden Berufe zu tun, zum anderen aber eben auch mit der Fortschreibung der Interessenstendenzen, die sich bereits bei der Wahl der ersten Ausbildung zeigen. Etwas überspitzt könnte man sagen, dass viele Frauen nach einer für Frauen typischen Wahl der Berufsbildung, die zu schlechter bezahlter Erwerbstätigkeit führt, bei den anschliessenden Weiterbildungen viel seltener die Chance nutzen, sich zusätzliche „Hardskills“ anzueignen, sondern sich noch weiter mit dem beschäftigen, was sie bereits gut können. Weiterbildungen zur Persönlichkeitsentwicklung sind zwar von hohem Wert, insbesondere für Führungskräfte, aber die Qualifikation in der Anwendung von IT, Technik, Finanzen und Management, zum Beispiel in Projektmanagement, kann mitentscheidend für einen nächsten Karriereschritt sein. Eine strategische und ausgewogene Wahl der Kurse wäre folglich für Frauen von grosser Bedeutung.
Zweitens kommt nun auch noch die Wahl des Weiterbildungsanbieters hinzu. Männer schauen hier vermehrt auf Prestige und Rating der Institution sowie auch auf den Abschlussgrad. Frauen machen in den EMBA-Programmen von Anbietern wie beispielsweise der Universität St. Gallen oder der IMD Business School in Lausanne nur rund einen Drittel aus. In einem CV wirken diese Abschlüsse dann aber auch ganz anders als der Abschluss an einer Fachhochschule.
Drittens entscheiden sich Frauen oft in dem Moment für eine Weiterbildung, in dem sie beruflich weiterkommen möchten und gehen davon aus, dass sie zuerst eine neue Qualifikation erwerben müssen, bevor sie sich für eine höhere Kaderfunktion bewerben. Männer gehen dies viel sportlicher an, indem sie sich direkt bewerben und darauf setzen, sich die nötigen Qualifikationen „on the job“ aneignen zu können. Zudem zahlt, falls gut verhandelt, der aktuelle oder künftige Arbeitgeber dann auch noch die passende Weiterbildung.
Selbstmarketing und das richtige Wording sind bei Weiterbildungen zentral.
Möchten Frauen Weiterbildungen gezielt für ihre Karriere nutzen, brauchen sie unbedingt eine strategische Weiterbildungsplanung, welche folgende Elemente beinhalten muss:
- Gezieltes Erwerben von das eigene Profil ergänzenden Skills im Bereich Management, IT, Technik oder Finanzen
- Führungsausbildung mit anerkanntem Abschluss, möglichst auf universitärem Niveau oder an einer renommierten Business School
- Bei den Softskills den Fokus auf Themen wie Durchsetzungskraft, Selbstmarketing und Networking legen
- Sich zuerst für eine höhere Funktion bewerben und dann, falls nötig, auf zusätzliche Weiterbildung setzen
- Selbst Weiterbildungen anbieten und sich damit in seinem Fachgebiet einen Namen machen
Und nicht zuletzt geht es darum, die bereits vorhandenen Kompetenzen zu nutzen und in geschicktes Selbstmarketing zu packen. Weshalb nicht von Metaskills statt Softskills reden und die hervorragenden Fähigkeiten in Kommunikation und Empathie einmal unter diesem Gesichtspunkt verkaufen? Oder Authentizität und Kreativität geschickt mit Führungspersönlichkeit und Innovationstalent verlinken? Manchmal ist alles eine Frage des „Wording“.
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