Medizin und Management: Was begünstigt «agiles» Arbeiten?

Während der Corona-Zeit konnte in vielen Spitälern ein «agiles» Zusammenarbeiten erlebt werden. Spitalübergreifende, veränderungsorientierte Zusammenarbeit ist im Normalfall in Spitälern vielfach holprig, von Eigeninteressen geprägt, von Machtspielen gezeichnet und durch lange Entscheidungszyklen ermüdend. Was also begünstigte während der Corona-Krise das vielfach erlebte «agile» Arbeiten?

Wir wollen Sie in diesem Blog erneut teilhaben lassen an den Ergebnissen aus mehreren Covid-Auswertungsrunden in schweizerischen und deutschen Spitälern. Für ein agiles Arbeiten in Spitälern waren, wenn wir den Auswertungsrunden folgen, vier Dimensionen wichtig:
1) (eingestandenes) Unwissen und Ungewissheit,
2) klarer «purpose»,
3) Ausklammerung von (Einzel-)Interessen und
4) Ausklammerung der ökonomischen Perspektive.

Dimension 1: Unwissen und Ungewissheit

Weder existierte Erfahrung mit diesem Virus, noch wusste irgendjemand exakt, wie ein solch unerhörtes Hochfahren insbesondere der intensivmedizinischen Kapazität vonstattengehen solle. Auch wenn zu Teilaspekten dieser Krise Wissen vorhanden war, so waren Unwissen und Ungewissheit nicht zu verleugnen.

Und das ist der Punkt: Nichts stärkt Zusammenarbeit mehr, als zu wissen, dass alle ähnlich wenig wissen, und dass man aufeinander angewiesen ist. Im Umkehrschluss heisst das: Nichts ist hinderlicher für Zusammenarbeit, als wenn wichtige Akteure meinen zu wissen, worum und wie es gehen soll. Dann setzen jene K(r)ämpfe ein, die so ermüdend sind und die jene endlosen Verzögerungen erzeugen, unter denen alle leiden.

Kommuniziertes Nichtwissen stärkt die Zusammenarbeit.

Dimension 2: Gemeinsamer «Purpose»

Die Krise vereinte alle Spital-Akteure unter einer gemeinsamen Aufgabe, die unmittelbar den Sinn («Purpose») der Organisation betraf: die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Es ging um ein medizinisch relevantes Problem. Diese Kombination von Krise und «Purpose» half an vielen Orten jene produktive Kollektivität hervorzubringen, die es braucht, um mit dem Druck einer solchen Situation umgehen zu können.

Gemeinsamschaftlicher Sinn führt zu produktiver Kollektivität.

Dimension 3: Ausklammerung von Einzelinteressen

Der zeitliche, sachliche sowie soziale Druck der Krise liess zudem für den Moment von den üblichen eigenen Interessen absehen. Die einzelnen Akteure mussten nicht so sehr die Interessen ihrer jeweiligen Gruppen oder Organisationseinheiten repräsentieren, sondern konnten sich einer gemeinsamen Aufgabe widmen. Mit der Krise war ein Rahmen gespannt, in dem es weniger galt, den eigenen Bestand zu sichern, als eine gemeinsame Zukunft zu gewinnen.

Eine gemeinsame Zukunft gewinnen.

Dimension 4: Ausklammerung der ökonomischen Perspektive

Für einige Wochen fiel zudem eine wichtige Perspektive, die den Alltag der Spitäler sonst so stark mitprägt, weg: die der Ökonomie. Während ökonomisch-betriebswirtschaftliche Fragen sonst ständig mitspielen (Was kosten dieses? Wieviel Ertrag bringt jenes?) stand für den Moment völlig die medizinische Krisenbewältigung im Vordergrund.

Lesson learned?

Für agiles Arbeiten braucht es – halten wir es nochmals fest – das gemeinsame Empfinden einer Dringlichkeit und die Aktualisierung des gemeinsam geteilten Sinns («purpose»). Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft, die es wahrzunehmen gilt: Vor allem dann, wenn gemeinsam als medizinisch relevant Empfundenes im Vordergrund steht, werden solche Management-Formen funktionieren. Damit stellt sich die Frage, welche Themen / Projekte das sein können. Die Steigerung des EBITDA zählt wohl nicht dazu. Das ist keinerlei Aussage darüber, dass diese nicht wichtig wäre. Aber medizinisch relevant, den Sinn der Organisation aktivierend, ist dieses Thema nicht.

Möglicherweise bietet die Coronoa-Krise eine Chance den Purpose des Spitals und die damit verbundenen motivationalen Kräfte wieder einmal klarer zu kriegen.

Sind Sie (und Ihre Mitarbeitenden) sich über den Sinn Ihres Spitals einig?

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