Hört man sich aktuell in Spitälern um, vernimmt man wenig Zuversicht, die Budgetziele erreichen zu können. Der ökonomische Druck steigt. Ein Blick nach Deutschland zeigt, was auch bei uns eventuell zu erwarten ist: Viele Spitäler operieren dort seit Jahren in den roten Zahlen. Die dadurch erhoffte Bereinigung der Spitalslandschaft hat aber nicht stattgefunden, eingetreten ist stattdessen eine Verdichtung der Arbeit im Kerngeschäft, eine massive ökonomische Orientierung der Spitäler und eine heikle Privatisierung der Spitäler durch Konzern-Trägerschaften.

Mittlerweile wird die Frage gestellt, wie lange der ökonomische Stress noch andauernd kann, ohne dass die für die Qualität der Behandlung wichtigen professionellen Kulturen ernsthaft Schaden nehmen. An diesem Punkt sind wir in der Schweiz nicht. Was sich aber abzeichnet, ist eine neue Runde im Ringen darum, wie Spitäler und andere Organisationen des Gesundheitssystems erfolgreich wirtschaften und gute Medizin betreiben können.

Die Veränderungsdynamik im Gesundheitswesen hat sich stark beschleunigt.

Die Veränderungsdynamik im Gesundheitssystem hat sich in den letzten zehn Jahren akzentuiert und wird sich weiter beschleunigen. Die demographische Entwicklung, die Spezialisierung der Medizin, die sich abzeichnenden digitalen und technologischen Innovationen der medizinischen Forschung, das kaum zu bremsende Kostenwachstum, der Fachkräftemangel, sowie gesellschaftliche Veränderungen etwa des Verständnisses von Krankheit und Gesundheit von Patienten und Patientinnen, aber auch bezüglich motivationaler Lagen des Personals sorgen für erheblichen Anpassungsdruck.

Managen bedeutet: das Balancieren von äusseren und inneren Spannungen zugunsten einer nachhaltigen Zweckerfüllung

So diffus heute noch die Rezepte sind, wie mit diesen Herausforderungen umzugehen ist, so gewiss ist, dass Wege zu finden sind, die damit verbundenen Spannungen zu balancieren. Genau das meint Managen: Das Balancieren von äusseren und inneren Spannungen zugunsten einer nachhaltigen Zweckerfüllung. Der Ausdruck «Balancieren» drückt aus, dass Managen viel mehr als das Erzielen möglichst «schwarzer Zahlen» bedeutet und viel facettenreicherer Natur ist. Erfolgreiches Managen bedeutet den fortlaufenden Versuch, die vielfältigen Aspekte der Aussen- wie der Innenwelten in führbare, also gestalt- und bearbeitbare Verhältnisse zu übersetzen. Managen stellt damit, wenn man so will, im Kern eine Praxis wirkungsvoller Spannungsbearbeitung dar.

Florence Nightingale hat bereits vor 150 Jahren darauf hingewiesen, dass sie kein Spital kennen würde, dass nicht von der Reibung zwischen Ärzten, Pflege und Administration gekennzeichnet wäre. Und dass das gut wäre – und zwar für die Patienten. Würde man eine der Gruppen dominieren lassen, wären heillose Einseitigkeiten die Folge. Das galt damals wie es heute gilt.

Was sich im Laufe der Zeit allerdings erheblich verändert hat, sind die Arten von Spannungen und die Balancierungsanforderungen. Der Bedarf an Spannungsverarbeitung drückt sich nicht zuletzt in der Evolution von Spitals- und Leitungsstrukturen aus. So stellt die «CEOisierung» der letzten 10 Jahre den Versuch dar, ökonomischen und gesamtorganisatorischen Themen Nachdruck zu verleihen. Das warf selbstverständlich die Frage auf, welchen Stellenwert medizinische und professionelle Themen haben sollen. Das System hatte sich zu adaptieren.

Mit dem Entstehen ärztlicher Direktorate oder dem Einsitz mehrerer Chefärzte in die Spitalleitungen erfolgte ein diesbezüglich nächster Schritt. Herauszufinden war dann in der neuen Einflusskonfiguration, wie betriebswirtschaftliche Steuerung mit professionellen Orientierungen und Haltungen vereinbar – balancierbar – war. Dem nötigen Balancierungsbedarf sodann auf neuer Ebene entsprochen werden.

Haben sich über die letzten 10 Jahren relativ gut lebbare Formen der Balancierung etabliert, finden sich diese nun neu herausgefordert. Die nächste Runde steht an, wobei die einzelnen Spitäler sich unterschiedlich fit oder auch angeschlagen aus ihrer Ringecke erheben …

Vier Themen werden die nächsten Runde stark bestimmen:

  • der weiter steigende ökonomische Druck, der zu «radikaleren» Massnahmen in Form von Fusionen, Konzentrationen von Leistungen, vertikaler Integration in den ambulanten Bereich etc. greifen lässt,
  • die intensivierte Herausforderung professioneller Haltungen, wie und in welcher Form Patienten behandelt und Medizin organisiert wird,
  • die Herausforderung professioneller Motivationslagen durch Wahrnehmungen geringerer Selbstwirksamkeit und weiter eingeschränkter Autonomie, aber auch von Arbeitsverdichtungen und dem Unwillen jüngerer Generationen im «Hamsterrad» mitzulaufen,
  • die Verarbeitung der weiter voranschreitenden Spezialisierung der Medizin, die kleinere Spitäler vor schwer lösbare Probleme stellen, aber auch in grösseren Spitälern für erhebliches Kopfzerbrechen sorgt und die Frage der Zusammenarbeit in interdisziplinärer wie – professioneller Hinsicht neu aufwirft.

Diese vier Themen zu balancieren, das ist die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre. Ärztinnen und Ärzte auf den verschiedenen Kaderebene werden darin eine prominente Rolle spielen und ihre Erfahrungen und Perspektiven einbringen müssen. Dazu sollten sie ihre eigenen Managementkompetenzen weiter entwickeln.

Der Ring ist frei, die nächste Runde eingeläutet. Erfahren Sie mehr über den CAS Managing Medicine.