Ist das Gesundheitssystem Dänemarks die Lösung?

In den aktuellen Diskussionen über die Spitäler der Schweiz wird Dänemark gerne als leuchtendes Beispiel gebracht: So wenige Spitäler! So viel billiger! Die Fachleute gehen um fünf Uhr nach Hause! Wir besuchten im Rahmen einer Studienreise des CAS Managing Medicine der Universität Bern Dänemark, um den systemischen Unterschieden auf den Zahn zu fühlen.

In der Tat ist es faszinierend, in das dänische Gesundheitssystem einzutauchen. Die Unterschiede sind teils frappant. Zwei zentrale Differenzen werden hier hervorgehoben, weil sie aktuelle Diskussionen besonders betreffen.

Die Spitalstruktur

Betont wird oft, dass Dänemark mit 5.6 Mio. Einwohnern nur mehr 21 Spitäler mit und 29 ohne Notfall-Einrichtungen habe, während die Schweiz mit seinen fast 9 Mio. über 101 mit bzw. 170 weitere verfügt. Teilweise sind (hochspezialisierte) Behandlungen sogar auf 3 – 5 Häuser konzentriert. Eine dramatische Differenz, die nicht viel geringer wird, wenn man hört, dass aktuell wieder ein Ausbau geplant ist. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass die Spitalkonzentration für bestimmte Gesundheitsleistungen zu weit getrieben wurde.

Was deutlich wird: Der grosse Vorteil der Konzentration besteht in der Spezialisierungsmöglichkeit der Medizin. In einem Fach wie der Thoraxchirurgie können hohe Fallzahlen mit entsprechenden Qualitätssteigerungsmöglichkeiten erreicht werden. Qualitätsprobleme waren denn auch der ursprüngliche Anlass für die Spitalkonzentration.

Der grosse Nachteil liegt darin, dass viele ältere, polymorbide Patientinnen und Patienten und solche aus sozioökonomisch schwachen Regionen zentralisiert weniger gut betreut werden können. Hier sind niederschwelligere Angebote erforderlich.

Zwischenfazit: man kann in Dänemark studieren, welche Versorgungsaspekte für welche Patientengruppen geeignet sind.

Die ambulante Struktur

Dänemark verfügt über eine stark ausgebaute ambulante Struktur. Auch dadurch konnte die Aufenthaltsdauern in den Spitälern (durchschnittlich 3.1 vs. 5.2 Tage in der Schweiz) und die Bettenanzahl (13‘000 in Dänemark, 38‘000 in der Schweiz) reduziert werden. Auffallend auch: Patienten werden vorwiegend nach Hause entlassen (und nicht in Heime, Reha-Einrichtungen etc.), weil Strukturen für die Versorgung @home bestehen und gut funktionieren.

Eine kurze Einschätzung

Mit dieser anderen (von vielen für die Schweiz erträumten) Struktur ist das dänische System etwas, wenn auch nichtwesentlich billiger als das schweizerische. Kosten sind auch in Dänemark ein Thema, auch dort ist die Hoffnung, dass durch Digitalisierung und Automatisierung bessere Kosteneffizienz erreicht werden wird. In der (hoch-)spezialisierten Medizin sind eindrückliche Qualitätssteigerungen erzielt worden, für andere Versorgungsleistungen gibt es Nachholbedarf. Auch für Dänemark stellt sich die Frage, wie auf die sich verändernden demografischen und gesellschaftlichen Bedingungen reagiert werden kann.

Dänemark führt vor Augen, wie anders sich Gesundheitsversorgung organisieren lässt und wie sehr jede Systemkonfiguration zu Vor- und Nachteilen führt (z.B. bzgl. Zugang für Patientinnen, Qualität und Sicherheit, Versorgung spezifischer Patientengruppen etc.). Es wird auch deutlich, wie sehr Gesundheitssysteme in die jeweiligen Kulturen eingebettet sind und wie sehr diese berücksichtigt werden müssen. Was in Dänemark Zufriedenheit erzeugt, muss nicht für die Schweiz gelten. Und: die 2007 eingeleitete Reform bedingte einen Lernprozess auf vielen Ebenen.

Unmittelbare Lehre: wollte man einen reellen Abbau stationärer Strukturen, sind die Voraussetzungen im ambulanten Bereich (Tarife, Angebote, Strukturen) zu schaffen. Damit wäre eine Reihe positiver Aspekte zu erzielen. Die Hoffnung, dass ein Abbau der Spitalbetten das System entscheidend billiger machen würde, dürfte sich allerdings als trügerisch herausstellen. Wichtiger erscheint, dass man von Dänemark lernen kann, wie verschiedene Versorgungsaufgaben (z.B. hochspezialisierte Eingriffe vs. Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen) unterschiedliche Strukturen benötigen, und wie sehr dieser Unterschiedlichkeit Rechnung zu tragen wäre. Vor diesem Hintergrund liessen sich geeignete Planungskriterien für eine Reform des Gesundheitssystems diskutieren.

Wie gelingt es, qualitativ hochwertige Gesundheitsdienstleistungen zu bieten, ohne betriebswirtschaftliche, wissenschaftliche, personelle und politische Aspekte zu vernachlässigen? Dieser Frage müssen sich Personen stellen, die medizinische Organisationen leiten und steuern.
Im CAS Managing Medicine setzen Sie sich mit dieser Herausforderung auseinander: Sie lernen mit der Perspektivenvielfalt konstruktiv und zielgerichtet umzugehen. So sichern Sie den nachhaltigen Erfolg Ihrer Organisation und das Patientenwohl und werden anderen Stakeholder gerecht.