Generation Z im Interview – Wie werden die Medizinerinnen von morgen sein?

Eine vierte Generation bereichert in diesen Jahren die Spitäler: die Generation Z (geboren zwischen 1995-2010). Was sie bewegt, was sie von ihren Arbeitgebenden erwarten und was sie künftig in der Medizin ändern möchten, erzählen vier Unterassistentinnen und Unterassistenten aus Deutschland und der Schweiz in separat geführten Interviews. 

Wie stellen sich zukünftige Medizinerinnen Ihren Beruf vor? Und wie lassen sich die unterschiedlichen Arbeitsvorstellungen der Generationen vereinen? Wir befragen junge und ältere Ärztinnen und Ärzte in unserer Blogserie. Im Auftakt haben wir uns mit den Unterschieden zwischen den Generationen befasst. In diesem zweiten Teil kommt nun die Generation Z zu Wort.

Weshalb studiert ihr Medizin, was erhofft ihr euch von diesem Beruf?

Julius: Meine beiden Eltern sind Ärzte, das hat mich schon geprägt. Ich erhoffe mir, möglichst viel zu lernen, um mich dann selbständig zu machen und freier in meiner Lebensgestaltung zu sein – insbesondere wenn ich dann Familie habe. Kinder? Auf jeden Fall! Im Gegensatz zu meinen Eltern würde ich gerne 4 Tage in einer Praxis arbeiten und die restliche Zeit mit meiner Familie verbringen.

Johannes: Meine Eltern sind auch Ärzte und wirkten mit ihrem Beruf irgendwie zufrieden. Also dachte ich, dass ich das auch werden könnte. Ich stelle mir, wie Julius, eine Familie und eine 4-Tage-Arbeitswoche vor. Ob im Spital oder in einer Praxis weiss ich noch nicht, vielleicht kann ich mir auch die Verantwortung als Chefarzt vorstellen.

Lea: Bei mir auch: Lauter Ärzte und Naturwissenschaftlerinnen in der Familie. Besonders schön fand ich, dass sie sich ihre Mittagspause so einrichten konnten, dass sie zusammen mit uns Kindern gegessen haben. Der eigentliche Beweggrund für das Medizinstudium war aber, dass ich damit ein klares Berufsbild mit einem sicheren Job vor Augen habe. Die finanzielle Unabhängigkeit und der Respekt in der Gesellschaft als Frau sind mir auch nicht unwichtig. Ich möchte zunächst sicher Vollzeit arbeiten, so komme ich auch mit meiner Ausbildung möglichst schnell voran. Damit meine ich aber nicht die 130%, die man früher darunter verstand! Forschung kann ich mir auch vorstellen, eine universitäre Karriere vielleicht.

Stefanie: Es war schon mein Kindheitstraum, Ärztin zu werden: Das Wunderwerk Körper – wie alles funktioniert – hat mich fasziniert. Ausserdem wollte ich immer mit Menschen zusammenarbeiten. Meine Ausbildung möchte ich zunächst in kleineren, familiäreren Spitälern beginnen, um schnell Routine und Sicherheit zu gewinnen. Später möchte ich in ein grösseres Haus wechseln, um ein breiteres medizinisches Spektrum kennenzulernen. In 10 Jahren sehe ich mich als Oberärztin – dann allerdings eher wieder an einem kleinen Spital, wo ich mein Wissen an jüngere Medizinerinnen weitergeben kann.

Humane Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und klare Erwartungen an die Arbeitgebenden – Von Scheu vor Verantwortung keine Rede

Was erwartet ihr von euren Arbeitgebenden und Peers?

Lea: Ganz klar, Teamgeist, Kollegialität und Offenheit einander gegenüber. Ich finde es wichtig, dass man auch die Hintergründe der Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, kennt. Es sollte immer Raum für Diskussion und unterschiedliche Ansichten geben. Dasselbe trifft auch auf die Zusammenarbeit von uns Ärzten mit der Pflege zu: Mir fällt auf, dass in manchen Häusern Misstrauen auf beiden Seiten herrscht. Dabei sollte man sich doch daran freuen, dass jede Berufsgruppe etwas Einzigartiges kann und könnte sich mehr darüber austauschen. In der Schweiz ist das tendenziell schon deutlich besser als in Deutschland. Selbständiges Arbeiten ist mir ebenso wichtig wie die Möglichkeit, bei Unsicherheiten Rücksprache zu halten.

Johannes: Natürlich möchte ich medizinisch möglichst viel lernen, aber auch als Mensch gesehen werden. Nicht als „Hakenhalter“ im OP oder als Roboter, der nur Schreibarbeit übernimmt, die eine künstliche Intelligenz erledigen könnte. Man glaubt gar nicht, wie viel Zeit man als Unterassistent schreibend am Computer verbringt!

Stefanie: Ich wünsche mir fördernde Vorgesetzte, humane Arbeitszeiten und eine harmonische Zusammenarbeit mit allen Kolleginnen – von der Pflege bis hin zu Ärzten anderer Fachabteilungen. Das Thema Weiterbildung ist für mich auch ein wichtiger Teil – in der Medizin lernt man ja nie aus, das gefällt mir.

Julius: Der persönliche Austausch mit den Kollegen ist mir wichtig, das sollten auch meine Arbeitgebenden vorleben. Die Freude an der Arbeit hängt nämlich auch davon ab, mit welchen Menschen man sich dort umgibt. Ausserdem sollte der Umgang allen Mitarbeitenden gegenüber wertschätzend sein. In vorherigen Kliniken habe ich auf der Chirurgie erlebt, wie meine weiblichen Kolleginnen weniger geschätzt wurden, als wir Männer. Das befremdet mich – zumal mittlerweile mehr Frauen Medizin studieren, als Männer.

Mehr Menschlichkeit, Feedback und eine faire Arbeitszeiterfassung – die Generation Z wünscht sich vielleicht nichts Neues, ist aber weniger kompromissbereit, alte Strukturen ungefragt zu übernehmen.

Wenn du ab morgen Chefärztin einer beliebigen Klinik wärst, was würdest du ändern?

Stefanie: Ich würde noch stärker versuchen, jeden in das Team zu integrieren – von Leitenden Ärzten bis zu Studierenden. Eine stärkere Teambindung würde ich z.B. durch regelmässige Ausflüge unterstützen, da es sich in einem harmonierenden Team besser und lieber arbeiten lässt. Wenn etwas schief läuft, würde ich den Vorfall mit dem Team zusammen reevaluieren, neue Ideen und Lösungsvorschläge suchen. Wo gibt es Verbesserungsvorschläge für das System? Ausserdem wären mir Feedback und Wünsche von meinem Team wichtig.

Johannes: Ich würde definitiv die heutigen Möglichkeiten der IT besser an die Bedürfnisse der Medizin anpassen und integrieren. Es gäbe so Vieles, was eine KI übernehmen könnte und wir Ärzte könnten mehr Zeit am Patienten verbringen.

Julius: Mir wäre eine gute und intensivere Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen wichtig. Vor allem Ärzte und Pflegende arbeiten so eng zusammen, da könnte man vernetztere Strukturen schaffen.

Lea: Ich würde mehr mit den Mitarbeitenden sprechen, vor allem auch Einzelgespräche, um sie besser kennenzulernen. Gleichzeitig gäbe es da Raum für Feedback im Sinne eines Realitätschecks. Das wäre möglicherweise auch für die Motivation im stressigen Alltag gut. Und ich würde eine faire Arbeitszeiterfassung etablieren.

Weniger Headcount, mehr Teamarbeit

Die Gespräche mit den vier Nachwuchsmedizinern und -medizinerinnen zeigen: Die Generation Z scheut sich weder vor Verantwortung noch Arbeit. Aber die Ärztinnen und Ärzte der Zukunft sind weniger bereit, Arbeitsbedingungen einfach hinzunehmen und sich Autoritäten bedingungslos unterzuordnen. Sie möchten in ihrem Beruf auch als Persönlichkeiten wahrgenommen und geschätzt werden. Man könnte schlussfolgern: In der Medizin von morgen geht es weniger um „Manpower“ und „Headcount“, sondern um individuelle Beiträge und viel mehr um Zusammenarbeit, als angenommen.  

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Bild: nikko on Unsplash