Eine stille Revolution

Spitäler suchen dringend nach Personal, überall sind Betten geschlossen. Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Das ist keine vorübergehende Krise, sondern eine stille Revolution, der sich die Spitäler und die Medizin anpassen müssen.

In der Schweiz wie in anderen Ländern sind so viele Stellen unbesetzt wie noch nie. Besonders betroffen sind Dienstleistungsbranchen und speziell das Gesundheitssystem. Mit und nach der Pandemie haben viele Dienstleistungsberufe an Attraktivität verloren. Am unmittelbarsten spürt das momentan die Pflege. Praktisch alle Spitäler haben aktuell aufgrund von Personalmangel Betten geschlossen. Einen weiteren Beitrag zu dieser Situation leistet der Wunsch, Teilzeit zu arbeiten und Arbeitspensen zu reduzieren. Der zunehmende Ausstieg der geburtenstarken Baby Boomer-Generation tut ein Übriges.

Schlechte Arbeitsbedingungen werden nicht mehr akzeptiert

Nichts deutet darauf hin, dass es sich um eine vorübergehende Krise handeln würde – im Gegenteil. Die Folge: Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass die bisher hohe Bereitschaft des Klinikpersonals, schlechte Arbeitsbedingungen (Schichtarbeit, KITA-unfreundliche Arbeitszeiten, geringe Flexibilität, hierarchische Führungsformen usw.) zu akzeptieren, weiter Bestand hätte.

Eine Frage der Autonomie

Wir vermuten, dass dies mit einem wahrgenommenen Autonomiedefizit zusammenhängt. «Autonomie» bedeutet hier, dass man Wahlmöglichkeiten und Einfluss in seiner Arbeit hat. Wer wenig Autonomie hat (in der Regel auf den unteren Hierarchieebenen), denkt intensiver über Verbesserungen der Work-Life-Balance nach, verkürzt wenn möglich die Arbeitsumfänge und hegt tendenziell Kündigungsabsichten.

Auf die subjektiv wahrgenommene Autonomie kommt es an.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Organisationen ein grosses Interesse daran haben sollten, die Autonomie ihrer Mitarbeitenden zu erhöhen. Mitarbeitende sind zufriedener und erbringen bessere Leistungen, wenn sie von der Führung darin unterstützt werden.

Konstruktive Unterstützung

Wie kann man konstruktiv unterstützen?

  1. Nur «unterstützen», wenn die Mitarbeitenden bereit sind, Hilfe anzunehmen;
  2. Klarmachen, dass es um Unterstützung und nicht Beurteilung geht, und
  3. auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen.

Wandel der Führung

Damit erhalten die Führungsverhältnisse einen neuen Spin. Das zeigen zum Beispiel wöchentliche Check-ins, bei denen die Vorgesetzten ihren Mitarbeitenden zwei Fragen stellen: 1) Was sind in dieser Woche deine Prioritäten? 2) Wie kann ich dich unterstützen?

Unterstützung ist wichtiger als Anweisung und Kontrolle.

Gesundheitsorganisationen müssen ihre HR- und Controlling-Praktiken anpassen.

Gesundheitsorganisationen sind gefordert

Führung wird dadurch nicht einfacher, im Gegenteil. Kontrolle ist weiterhin wichtig, genauso wie Qualität und Leistung weiterhin sichergestellt werden müssen. Das alles zu kombinieren, bedeutet eine grosse Herausforderung. Wichtig ist, dass Gesundheitsorganisationen ihre Führungskräfte bei dieser Neuausrichtung unterstützen und nicht alleine lassen. Sie müssen geeignete Instrumente zur Verfügung stellen und ihre HR- und Controlling-Praktiken (z.B. die periodischen Beurteilungen der Mitarbeitenden, das Performance Management usw.) anpassen. Sonst wird der Druck auf die Führungskräfte überstark werden.

Lernende Gesundheitsorganisationen managen

Gesundheitsorganisationen wie Spitäler und Kliniken sind im Wandel. Sie müssen neuen Mitarbeitendenbedürfnissen gerecht werden; medizinisch und technologisch auf dem neusten Stand bleiben und sich neuen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen. Wie kann das gelingen?

Im MAS Leading Learning Health Care Organisations lernen Sie, wie Sie ihre Organisation daten- und evidenzgestützt zum Erfolg führen. Ein Muss für medizinisches Kaderpersonal.

Informieren Sie sich über den MAS Leading Learning Health Care Organisations an der Universität Bern: mas-healthcareorganisations.ch

Die Inhalte dieses Artikels erschienen in leicht veränderter Form zuerst in der Schweizerischen Ärztezeitung.

Foto: Jornada Produtora auf Unsplash