Darum sind Ärztinnen nicht in der Führung
Obwohl die Zahl der Ärztinnen in den mittleren Rängen der Spitäler stark gestiegen ist (Oberärztinnen 47%), sind Ärztinnen ganz zuoberst immer noch nur in einer starken Minderheit anzutreffen. Woran liegt das? Ist es das System, ist es die Kultur, sind es die Frauen selbst? Wir schauen genauer hin, warum viele Ärztinnenkarrieren nach wie vor nur in wenigen Fällen ganz nach oben führen.
Thema 1: Wer hat überhaupt noch Lust auf Karriere?
Bei beiden Geschlechtern ist die Attraktivität einer Chefarztposition erheblich gesunken. Dies ist kein rein weibliches Phänomen, sondern auch eine Frage der Generationen.
Was jedoch bleibt: Von der Hürde der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind deutlich mehr Ärztinnen betroffen. Die Aussicht auf eine jahre-, ja sogar jahrzehntelange Zerrissenheit zwischen Beruf und Familie lähmt viele Ärztinnen und lässt sie ununterbrochen an der Richtigkeit ihrer Entscheidungen zweifeln.
Thema 2: Die Qual der Wahl der Fachrichtung
Wenn man die Präsenz von Frauen in den höheren Funktionen nach Fachrichtungen genauer betrachtet, fällt auf, dass diese höchst unterschiedlich ausfällt:
Eine Befragung von Absolventinnen und Absolventen des Medizinstudiums bezüglich ihrer Vorstellungen zu ihrer künftigen Berufstätigkeit (Gedrose et al. 2012) ergab unter anderem, dass Ärzte sich in den chirurgischen Disziplinen und Subspezialitäten der Inneren Medizin sahen – in den lukrativen Bereichen also. Ärztinnen bevorzugten hingegen eher Frauen- und Kinderheilkunde und kleinere Fachgebiete wie beispielsweise die Dermatologie.
Diese Ergebnisse deuten für uns darauf hin, dass starke traditionelle und stereotypische Vorstellungen davon bestehen, welche fachärztlichen Ausbildungen eher zu Männern respektive Frauen passen. Auch die zeitliche Belastung spielt eine grosse Rolle bei der Wahl des Fachs.
Starke traditionelle und stereotypische Vorstellungen verhindern Ärztinnenkarrieren.
Thema 3: Althergebrachte Familienmodelle
In der Schweiz teilen sich immer noch die meisten Paare Arbeit- und Familienleben so auf, dass der Mann auch nach der Geburt der Kinder Vollzeit oder hochprozentig arbeitet, während die Frau eine Teilzeitstelle annimmt.
Dies hat einige Folgen für Ärztinnen:
- Die Teilzeitstelle bringt wesentlich weniger Karrierechancen mit sich, nicht nur, weil die Frau weniger präsent ist, sondern auch weil
- die Arbeitsinhalte der Teilzeitbeschäftigten meist nicht sehr attraktiv sind.
- Statt zu forschen und sich öffentlich zu positionieren, verschwinden sie in der Klinik und auch hier in weniger prestigeträchtigen Aufgaben.
Thema 4: Unternehmenskultur und Stereotypen
Abhängig von der Fachrichtung, aber auch von der Führungskultur der Chefs (Chefinnen) wird Frauen das Arbeitsleben mehr oder weniger stark erschwert. Ein ruppiger Umgangston, sexistische Bemerkungen und effektive Übergriffe sind in manchen Kliniken noch immer an der Tagesordnung.
Auch das Stereotyp des männlichen Chefarztes steckt weiterhin in den Köpfen von Frauen und Männern fest und schafft bei Beförderungen und Berufungsverfahren eklatante Nachteile für die Ärztinnen.
Und die Lösung fragen Sie sich nun?
Damit sich die Situation der Ärztinnen in den Spitälern verbessern könnte, bräuchte es vor allem eine konsequente und an modernen Unternehmenswerten orientierte oberste Führung, die ihre postulierten Werte auch konsequent lebt und entsprechendes Verhalten einfordert.
Und seitens der Frauen geht es nicht ohne genügend Biss, Hartnäckigkeit und einer dicken Haut auf dem Weg nach oben.
Wie hat das kürzlich eine Klinikdirektorin so schön formuliert: „Wenn die Frauen bloss wüssten, wie toll es ist, oben angelangt zu sein und Macht zu haben! Erst die Position als Chefärztin ermöglicht es uns wirklich, einen eigenen Bereich zu gestalten, die Teamkultur zu definieren und Frauen gezielt zu fördern. Es lohnt sich, diesen Weg zu gehen!“
„Wenn die Frauen bloss wüssten, wie toll es ist, oben angelangt zu sein und Macht zu haben!“
Seminar „Ärztinnen in die Führung“ (FMH-zertifiziert)
Inhalte (je 2 Tage)
– Modul 1: Machtspiele und Kommunikation
– Modul 2: Karriereweg und Erfolgsgeschichten
– Modul 3: Auftritt, Stärken, Networking
Zielgruppe: Oberärztinnen, leitende Ärztinnen
Daten: Oktober / November / Dezember 2020
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