Bridging Crises: Sollte die Gemeinschaft der neue Patient sein?
Bergamo ist das tragische Epizentrum in Europa von Convid-19. Bilder von überlasteten Ärzten, Spitälern und Pflegenden berühren uns und lassen auch uns die Frage stellen, ob unsere Gesundheitssysteme «gut» aufgestellt sind.
Die Krise zeige, wie unzureichend unsere Patienten- und Individuums-orientierte Versorgung eine Pandemie meistern könne. Versorgung müsse sich stärker auch an der Gemeinschaft orientieren (Stichwort «community-centred care»). Dies fordern Ärzte des Spitals Papa Giovanni XXIII in Bergamo in einem bewegenden Bericht (New England Journal of Medicine) über die kaum vorstellbaren Arbeitsbedingungen in diesem Teil Italiens.
Bergamo fordert, die Gesundheitsversorgung stärker gemeinschafts-zentriert zu denken.
Für uns in der Schweiz sei dies nicht relevant, denken Sie? Und dass die nächste Pandemie dieses Ausmasses sowieso erst in 50 Jahren wiederkommt? Berechtigte Einwände. Sie greifen aber meiner Meinung nach deutlich zu kurz – und lassen Sie vielleicht eine Chance auf bewusste Veränderung verpassen.
Nicht dass der aktuellen Krise eine Sinnhaftigkeit zugesprochen werden soll. Solche Ansinnen sind abwegig. Nein, aber der Trost in der Krise, schreibt Frau de Groot, Pfarrerin in Muri bei Bern, liege in der Hoffnung auf Veränderung.
Konkreter formuliert: Diese eigenwillige Zeit lädt uns zum kreativen Nachdenken über scheinbar Unveränderliches ein. Die Anregung aus Bergamo, die Gesundheitsversorgung stärker gemeinschafts-zentriert zu denken, ist allemal einen vertieften Gedanken wert. Nicht im Sinne von «einfach ein bisschen mehr Prävention und Public Health», sondern um ein in dieser Krise ebenfalls lebhaft diskutiertes Thema aufzugreifen. Nämlich die Frage, ob Klein- und Landspitäler doch eine Daseinsberechtigung haben.
Zur Erinnerung: Seit langem gilt in Regierungs- und oberen Spitalleitungskreisen das betriebswirtschaftliche Mantra, Kleinspitäler seien nicht kosteneffizient zu betreiben. Das trifft wohl zu, hat aber mehr mit unseren fragmentierenden Vergütungsformen und ihren einseitigen Anreizmechanismen zu tun: Diagnosebezogene Fallgruppen (DRGs) regen jedes noch so kleine Spital dazu an, möglichst komplexe, da ertragsreiche, Fälle zu behandeln. Und die strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Vergütungssystemen verhindert seit langem auch «community-centred»-Versorgungs- und Kooperationsformen.
Dabei existieren viele solcher Ideen bereits und wurden teilweise bereits erfolgreich implementiert. Das «Cité générations» in der Genfer Gemeinde Onex zeigt beispielsweise als eine Mischung aus Arztpraxis, Pflegeheim und Spital, wie Gesundheitsversorgung auch anders funktionieren kann.
Wie können wir solche Modelle fördern – das ist die Frage.
Wie können wir solche Modelle fördern, lautet also die Frage, die uns die Krise stellt. Und nicht (mehr), ob wir Kleinspitäler schliessen sollten oder nicht.
Oder was denken Sie?
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