Regulierungserschöpfung? – Ein Blick über den Gartenzaun

Die Studienreise des CAS Managing Medicine in Health Care Organisations der Universität Bern führt uns jedes Jahr in andere Gesundheitssysteme. 2025 kehren wir mit einer frischen Sichtweise auf das Thema „Daten“ aus London zurück.

Das englische Gesundheitssystem NHS steht hierzulande im Verruf. Unter anderem produziere es lange Wartezeiten. Gleichzeitig finden sich aber spannende und innovative Formen, von denen wir lernen könnten. Während hierzulande Schweizer Spitäler unter Zertifizierungen, Audits und Registereinträgen ächzen, gar von Überregulierung und sinkender professioneller Autonomie sprechen, könnte uns ein Blick über den Gartenzaun eine neue Perspektive eröffnen.

NHS: Regulierungen für Qualität und Transparenz

Die diesjährige Studienreise führte uns ans King‘s College Hospital in London. Der Empfang ist herzlich, die Besucherausweise vorbereitet – Routine für ein Spital, das regelmässige externe Besuche gewohnt ist.
Denn im britischen National Health Service (NHS) ist es üblich, dass Daten nicht nur intern erhoben, sondern extern geprüft werden. Das Erstaunlichste daran: Die Besuche erfolgen unangekündigt …

Die CQC: Ein Qualitätsverständnis, das weiter greift

Im Schnitt wird jede Klinik einmal jährlich durch die Care Quality Commission (CQC) beurteilt. Die Behörde richtet ihren Fokus auf fünf zentrale Fragen:

  • Wie sicher ist die Versorgung?
  • Wie effektiv sind die Outcomes?
  • Wie fürsorglich ist die Betreuung?
  • Wie gut sind die Leistungen auf die Patientinnen und Patienten abgestimmt?
  • Und: Wie stark unterstützt die Führung eine hohe Behandlungsqualität?

Die Resultate werden transparent veröffentlicht. Alle Spitäler sind in einer „League Table“ aufgelistet. Damit sollen die Versorgung gesichert, das Vertrauen gestärkt, die Ausbildung verbessert und Optimierungspotenziale sichtbar gemacht werden. Bemerkenswert: Die NHS-Teams begegnen dieser Kontrolle nicht mit Widerstand, sondern mit Stolz.

Tatsächlich sind die CQC-Fragen viel weiterreichend als die hierzulande üblichen EBITDAR-Vergleiche und umfassen medizinisch relevante Themen.

Daten als Kompass statt Kontrollinstrument

Für die Schweizer Teilnehmenden drängt sich schnell die Frage auf: Fühlt man sich da nicht infrage gestellt? Kontrolliert? Eingeschränkt?

Doch die NHS-Ärztinnen und -Ärzte sehen das völlig anders. Ihr Auftrag – «die Bevölkerung gesünder zu machen» – ist für sie der zentrale Antrieb. Daten dienen ihnen nicht als Kontrollmassnahme, sondern als Messinstrument ärztlicher und pflegerischer Wirksamkeit. Sie verstehen sie als Grundlage professioneller Weiterentwicklung – nicht als Bedrohung.

Ein Perspektivenwechsel für die Schweiz?

Was wäre, wenn wir in der Schweiz Daten stärker als Chance definieren würden?
Daten als Werkzeug zur Verbesserung unseres professionellen Handelns.
Daten als Ausdruck von Verantwortlichkeit und Teil professioneller Autonomie.
Daten als Basis, um besser zu werden – und damit genau das zu tun, was der Kern ärztlichen Handelns ist: sich weiterzuentwickeln, dazuzulernen, sich anzupassen.

Es gibt in der Schweiz bereits interessante Ansätze und Projekte in diese Richtung – jedoch bisher mit wenig Präsenz und Implikationen. Was müsste passieren, damit sich dies ändert? Ein erster Ansatz wäre, diesen Entwicklungen mit einer offeneren Perspektive zu begegnen. Und neugierig zu werden auf professionelle Möglichkeiten, die diese Daten uns lehren könnten.

Medizinische Organisationen erfolgreich durch turbulente Zeiten steuern

Fachkräftemangel und Kostendruck setzen Gesundheitsorganisationen unter Druck und sorgen für Stress. Zugleich sollen sie mit den Innovationen aus der medizinischen Forschung mithalten können.

Wie gelingt es, qualitativ hochwertige Gesundheitsdienstleistungen zu bieten, ohne betriebswirtschaftliche, wissenschaftliche, personelle und politische Aspekte zu vernachlässigen? Dieser Frage geht das CAS Managing Medicine in Health Care Organisation an der Universität Bern nach.

Die nächste Durchführung startet im Juni 2026.

Informieren Sie sich hier.

Foto von Benjamin Davies auf Unsplash