Flache Denkmäler. Entwicklung ärztlicher Führung
Leadership ist im Wandel. Organisationen aller Art erproben neue Formen. Das Zeitalter der «postheroischen» Führung ist angebrochen. Damit ändern sich auch Machtressourcen und -bedingungen.
Die Mini-Blogserie Flache Denkmäler beleuchtet den Unterschied des «heroischen» und «postheroischen» Führungsmodells in Gesundheitsorganisationen. Der erste Teil beleuchtete, wie «heroische» Führung funktioniert. In diesem zweiten Teil geht es um die «postheroische» Führung.
Heroische Führung setzt auf Gehorsamsbereitschaft. Im ersten Teil dieser Mini-Blogserie haben wir zwei «mächtige» Hebel in der medizinischen Führung identifiziert: Karrieremöglichkeiten und Unsicherheit.
Karriere ohne persönliche Willkür
Wer über Karriereoptionen «gebietet», kann mit Gehorsamsbereitschaft rechnen. Klassischer, «heroischer» Weise war das der Chefarzt (seltener die Chefärztin …). Er oder sie konnte die Karrieren seiner Mitarbeitenden entscheidend beeinflussen.
Erlischt aber die Karriereambition des Nachwuchses, oder sind Chancen am Arbeitsmarkt so gut, dass Arbeitsplatzwechsel beliebig möglich sind, implodiert diese Macht. Die Gehorsamkeitsbereitschaft schwindet.
Darum sind strukturierte Entwicklungsprogramme, etwa in der Chirurgie, so wichtig. Sie entkoppeln den Kompetenzerwerb von persönlicher Willkür. Hier erzeugt sich Qualität auf der einen und verschwindet ein zentrales Machtpotenzial auf der anderen Seite. Macht verwandelt sich in eine HR-Praktik.
Unsicherheit auflösen
In medizinischen Organisationen garantiert die Chefärztin Sicherheit. Diese strukturelle Kombination von Hierarchie und Sicherheitsreferenz wird erstaunlich wenig gesehen und diskutiert, wiewohl ihre Wirkung beachtlich ist. Wir können diese Verdoppelung auflösen, wenn wir die Voraussetzungen einer qualitativ hochwertigen Medizin, die zugleich eine sichere Medizin ist, besser klären (Schmitz/Berchtold 2021).
Und hier gibt es Ansatzpunkte. Das Wissen um die Outcomes beispielsweise. Ein wunderbares Exempel dafür bietet die Hamburger Martini Klinik, die ihre Weltstellung einem ausgefeilten System an Outcome-Messungen verdankt. Dieses System informiert, wer gut ist. Dieses System informiert über Qualität, etabliert Rückmeldeschleifen und lässt lernen. Nicht der Chefarzt, nicht die Klinikdirektorin sind der Quell der Beurteilung dessen, was gut ist. Die Daten sind es. Damit erübrigt sich vieles, wovon wir denken, es benötige dafür Hierarchie.
Fördern und fordern
Heroische Führung liebt solche Datenanalysen nicht. Denn heroische Führung setzt voraus, dass der Chef urteilt, was gut ist und wer gut ist, wer etwas werden wird. Und dabei ein Stück willkürlich bleibt. Denn die Möglichkeit der Willkür ist dem Machtgebrauch inhärent.
«Postheroische» Führung macht dazu den entscheidenden Unterschied. Transparenz, wo immer es geht, Förderung, wo immer sie möglich ist und Forderung zu expliziten Ansprüchen. Das ist nicht immer narzisstisch gewinnbringend. Und es ist kein Wohlfühl-Rezept, sondern benötigt konsequentes und einander forderndes Zusammenarbeiten. Dafür ist es gut für die Leistung aller und zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Markus Weggenmann erhielt für seine beiden Gemälde «Flache Denkmäler» 2018 den Schweizer Kunstpreis. Auf überlebensgrosser Leinwand findet sich mit stark pigmentierter Farbe aufgetragen ein schematisierter Kopf, eingerahmt von etwas Weiss, dann nochmals farbige Fläche. Eine Büste, ein Denkmal wird in reine Zweidimensionalität übersetzt, ohne Perspektivität, ohne Tiefe. Nur in der Intensität der Farben vermittelt sich ein letzter räumlicher Anklang. Wo vorher Tiefe war, findet sich nun blosse Fläche. Wo vorher Dominanz war, vermittelt sich nur mehr dunkle Ahnung. Das ergibt eine starke Wirkung. Eine Wirkung, die fesselt, und eine Doppelheit, die interessiert: plan und doch räumlich, abstrahiert und doch kenntlich, übergross und doch fassbar. Die Bilder nehmen den Betrachter gefangen und inspirieren zu Fragen: flache Denkmäler? Platte Helden? Man beginnt zu sinnieren: Ist die Zeit der Heroen abgelaufen? Befinden wir uns im «post-heroischen» Zeitalter?
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